Hugh Grant löst das für Hollywood immer noch unerhörte Problem des Älterwerdens vor grossem Publikum – auf seine ganz eigene Weise.
Marion Löhndorf
3 min
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Nun ist es nicht so, als ob wir den Fall eines Shakespeare-Tragöden erleben würden. Aber Hugh Grant betreibt die Dekonstruktion seiner einstigen Persona mit aussergewöhnlichem Elan. «Ich bin im Freak-Show-Stadium meiner Karriere angekommen», erklärte der Schauspieler kürzlich. In seinem neuen Film «Wonka» spielt er einen Umpa-Lumpa, ein grünhaariges Phantasiegeschöpf aus dem Roald-Dahl-Universum. Einen «komischen kleinen Mann» nennt ihn Timothée Chalamets Willy Wonka. «Wie können Sie es wagen», antwortet Grants Miniaturfigur im fast untergegangenen Akzent der britischen Oberklasse. «In Umpa-Land gelte ich als ziemlicher Brummer.»
Brummer hin, Brummer her – Hugh Grant ist nicht mehr, was er war: der klassische Liebhaber mit Schmachtblick. Einer, der Hochzeitsreden hält, die Brautpaare in Krisen stürzen lässt und der eine Tanzszene hinlegt, die der Schauspieler im Rückblick als eine der unerträglichsten der Filmgeschichte bezeichnet. Im Kino war niemand schöner peinlich als Hugh Grant.
Gegen den Strom guter Laune
Jahr für Jahr flimmert «Love Actually» rituell durch viele Wohnzimmer, es ist einer der klassischen Filme, die für viele zu den Feiertagen gehören wie Christbaumkugeln und Familienkräche. Auch wenn «Love Actually» all seiner moralisch anfechtbaren Figuren wegen politisch unkorrekt ist und jetzt durch die Woke-Maschine gedreht wird: Der Film dürfte es überleben. Unterdessen kokettiert Hugh Grant, der darin als Premierminister durchs Treppenhaus von Downing Street steppte, mit den Begleiterscheinungen fortgeschrittener Lebensjahre: «Ich bin jetzt alt und hässlich, und ich passe nicht mehr in romantische Komödien, was ein grosser Segen ist.»
Tatsächlich fügt er sich nur noch widerstrebend in die Celebrity-Kultur, deren Teil er gleichwohl ist. Auf dem roten Teppich und in Presseinterviews verweigert er das Supergute-Laune-Spiel. Vor der Oscar-Verleihung 2023 wurde er gefragt, was er von dem Spektakel halte. «Oh», sagte Grant, «es ist ein Jahrmarkt der Eitelkeit.» Sein Filmauftritt in «Glass Onion» sei nicht der Rede wert. Richtig Spass gemacht habe ihm die Arbeit daran auch nicht. Für diese als anmassend und arrogant kritisierten Antworten kassierte er einen mittleren sh*tstorm, was ihm vermutlich gefallen hat. Dabei arbeitet Hugh Grant nicht nur hart daran, Showbiz-Journalisten zu erschüttern. Dem ehemaligen britischen Premierminister Boris Johnson rief der Brexit-Gegner Grant – auf X, ehemals Twitter – einmal zu: «F**k off, du überpromotetes Badewannenspielzeug.»
Freunde nennen ihn «Grumpelstilzchen»
Hugh Grants subversive Wiedergeburt kam nicht ganz überraschend. Immer schon verzog er seine Mundwinkel spöttischer als nötig und versah seine Loverboys der frühen neunziger Jahre mit Ironie und einem leicht erschütterten Selbstbewusstsein, das eine Verschiebung der Männlichkeitsideale andeutete. Irgendwann interessierten ihn die Schönen und Guten offenbar überhaupt nicht mehr. Mit «Cloud Atlas» (2012) und «The Gentlemen» (2019) begann er, Gangster und Killer zu spielen. Und in «Paddington 2» ist er ein eitelkeitsverseuchter Schauspieler – ein Sympathieträger der Nation –, der zur Nemesis des Bären wird.
Paul King, der schon bei «Paddington» Regie führte, dachte bei der Besetzung seines «Wonka»-Films gleich an den «Love Actually»-Star: Die Stimme der Umpa-Lumpas sollte etwas zynisch, sarkastisch, grausam und witzig sein. Grant löst das für Hollywood immer noch unerhörte Problem des Älterwerdens vor grossem Publikum – das normalerweise Schauspielerinnen umtreibt – auf seine ganz eigene Weise. «Grumpelstilzchen», wie ihn seine Freunde nennen, hat eine neue Lieblingsrolle gefunden. Er spielt sich selbst.
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