»Wonka« mit Timothée Chalamet: Schockverliebt im Schoko-La-La-Land (2024)

Kinomusical nach Roald DahlSchockverliebt im Schoko-La-La-Land

Der Vorweihnachtsfilm »Wonka« erzählt die Vorgeschichte des Märchens »Charlie und die Schokoladenfabrik« – und ist dank glänzend aufgelegten Darstellern wie Timothée Chalamet und Hugh Grant ein herrliches Vergnügen.

VonWolfgang Höbel

ausDER SPIEGEL 50/2023

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»Wonka« mit Timothée Chalamet: Schockverliebt im Schoko-La-La-Land (1)

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Zuallererst sieht man den Kerl hoch droben auf dem Ausguck eines Segelschiffs ein zartes Lied singen. Nach sieben Jahren als Schiffskoch auf See blickt der junge Held Willy Wonka, dargestellt von Timothée Chalamet, aufs nahe Festland und singt sich warm für den Aufbruch in die am Ufer liegende große Stadt.

Die Stadt ist leicht verschneit und sieht so aus, als wären Paris und London vor gut 100 Jahren von einem Zuckerbäcker zu einer Weltmetro­pole verschmolzen worden. In einer prächtigen Einkaufspassage will der Held einen Laden gründen, und zwar »das tollste Schokoladengeschäft, das die Welt je gesehen hat«.

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»Wonka« mit Timothée Chalamet: Schockverliebt im Schoko-La-La-Land (2)

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Der Schauspieler Chalamet ist ein derzeit von vielen Menschen angehimmelter Wunderknabe des Weltkinos. Er ist 27 Jahre alt und hat seine eher zarten Gesichtszüge und sein freches Lächeln in so unterschiedlichen Erfolgsfilmen wie »Call Me by Your Name« und »Dune« zur Schau gestellt. In »Wonka« verkörpert er nun einen ungestümen Luftikus und Tausendsassa. Sein Held singt und tanzt und spaziert voller Unschuld und Zuversicht ins Gewühl der Großstadt hinein – und gerät erst einmal an Menschen, die ihm übel wollen.

»Wonka« mit Timothée Chalamet: Schockverliebt im Schoko-La-La-Land (3)

Der Film erzählt von Schurken, wie sie im Charles-Dickens-Buch »Oliver Twist« herumlungern, ihr Wortschatz klingt aber gegenwärtig. Einmal reden sie von einer drohenden »Schokokalypse«. Das ist nicht bloß ein netter Witz, sondern es drückt vermutlich die schlimmsten Ängste der Macher von »Wonka« aus. Regisseur Paul King und seine Helfer haben sich den modernen Märchenklassiker »Charlie und die Schokoladenfabrik« von Roald Dahl vorgenommen und eine komplette Filmstory im Geiste des 1964 erschienenen Originalbuchs und des 1990 gestorbenen Dichters neu erfunden.

Johnny Depp spielte Willy Wonka als mittelalten Fabrikanten

Das hätte auch schiefgehen können. Aber der von vielen Dahl-Begeisterten mit Skepsis erwartete Film »Wonka« erweist sich als Wunderwerk an poetischem Zauber, Witz und Eleganz – und als schönstes Kinomusical seit »La La Land«.

In Dahls Original-Schokoladen­fabrikmärchen geht es um den aus armen Verhältnissen stammenden, kindlichen Helden Charlie Bucket, der zusammen mit eine paar anderen Kindern Einlass in das Reich des sagenhaft geschmacksbegabten, bizarr daherredenden, leicht gruseligen Schokoladentycoons Willy Wonka findet. Kings Film porträtiert nun Wonka – der in zwei »Charlie und die Schokoladenfabrik«-Verfilmungen aus den Jahren 1971 und 2005 jeweils grandios von Gene Wilder beziehungsweise von Johnny Depp dargestellt wurde – als junger Mann.

Chalamets Held ist zwar mit einem Zauberkoffer voller Instrumente und Zutaten zur Pralinenzubereitung ausgerüstet, aber praktisch mittellos. Mit dem Versprechen auf einen Schlafplatz wird er ins Horrorkabinett der Pensionswirtin Mrs. Scrubbit (Olivia Colman) gelockt und als Arbeitssklave in die Kellerwäscherei gesperrt. Mithilfe des smarten Aschenputtelmädchens Noodle (Calah Lane) kann Wonka für kurze Zeit flüchten. In der Galerie, in der er seinen Laden eröff­nen möchte, verteilt er seine Kon­fekt­kreationen an Passanten.

Das Probepublikum ist sogleich schokoschockverliebt. Die drei Bonzen, die das Schokoladenkartell der Stadt regieren, sind nicht amüsiert. Und beschließen, den Rivalen Wonka mit Unterstützung der garstigen Mrs. Scrubbit abzumurksen.

Der Schriftsteller Roald Dahl ist umstritten

Man sieht in »Wonka« naschsüchtige Menschen vom Boden abheben, mithilfe der Zauberkraft von bunt bemaltem Konfekt. Man sieht, wie ein riesiger Schokoladenrührtopf als Mordinstrument eingesetzt wird. Es gibt tadellos choreografierte Tanzszenen, knallfarbige Kostüme und ein paar charmante Lieder, von denen die besten Neil Hannon komponiert hat, der mit der Band The Divine Comedy bekannt geworden ist.

Der Schriftsteller Dahl ist berühmt für seinen grimmigen Humor und ein bisschen umstritten unter anderem wegen heutzutage als brutal empfundener Züchtigungsfantasien. Regisseur King und sein Drehbuch-Co-­Autor Simon Farnaby haben schon in zwei »Paddington«-Filmen Intelligenz und heitere Durchtriebenheit bewiesen. Und doch wird es vermutlich Menschen geben, denen sie in »Wonka« zu warmherzig und aufgekratzt ans Werk gehen.

Die Kunst von King und Farnaby zeigt sich aber gerade dort, wo sie das dahlsche Mythenuniversum weiterspinnen und auf den Kopf stellen. Die großartigste Figur in »Wonka« ist ein von Hugh Grant wunderbar durchgeknallt gespieltes Männlein mit grünen Haaren und orangefarbener Haut, ein sogenannter Umpa-Lumpa.

In »Charlie und die Schokoladenfabrik« sind die aus einem fernen Land importierten Umpa-Lumpas noch die vom Unternehmer Wonka herumkommandierten Heinzelmännchen und Arbeitsbienen der Firma, das proletarische Fußvolk des Süßwarenuniversums. In »Wonka« dagegen ist Grants Umpa-Lumpa ein trickreicher, ulkiger, boshafter Star.

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Eigentlich ist der superschlaue Troll nur in die Weltstadt gereist, weil er sich an Willy Wonka wegen einer Schuld aus dessen Schiffskochzeiten rächen will. Doch dann zeigt sich mehr und mehr, dass der kurz geratene grüne Mann der Einzige ist, der dem jungen Helden gegen seine Feinde wirklich helfen kann. Der Joker im Schoko-La-La-Land sozusagen.

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